Die Nerven, Max Rieger, Julian Knoth, Kevin Kuhn - WIR WAREN HIER (2024)

Während auf letztem Album von Die Nerven auf dem Kritiker-Liebling Ein Influencer weint sich in den Schlaf zwischendurch auch seichtere Töne angeschlagen wurden, die einem zynisch über den Rücken streichelten und bekräftigten mit den Worten „Es muss weitergehen“, hat das Trio auf seiner neusten Platte WIR WAREN HIER nun wohl eine vorläufige Antwort darauf gefunden wie es weitergehen soll – nämlich am liebsten gar nicht. Zeilen wie „Ich will verschwinden, kommst du mit?“ und „Auf der Flucht vor der Wirklichkeit ist mir kein Weg zu weit“ demonstrieren schon auf dem zerstückelten Opening Track ALS ICH DAVON LIEF, dass Eskapismus die einzige Lösung für die Band zu sein scheint. Sänger Julian Knoth nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er auf dem Titeltrack und auf DAS GLAS ZERBRICHT UND ICH GLEICH MIT gegen die Gleichgültigkeit seiner Artgenossen anschreit: „Wir nehmen die letzten Stunden fette Jahre gerne mit / Warum hab ich Angst, aber du nicht?“

Verschnaufpause gibt es nur auf ACHTZEHN – ein introspektiver und gleichzeitig kryptischer Song, der sogar ein paar zurückhaltende Streicher aufbringt und von einem Musikvideo begleitet wird, das die Band am Anfang ihrer Karriere zeigt. Etwas leichter tanzbar ist auch SCHRITT FÜR SCHRITT, das sich eher durch Indie-Gefilde schlägt als der Rest des Albums, das auch musikalisch in der perfekten Kombi von Max Rieger an der Gitarre und Kevin Kuhn an den Drums bis in jede dunkle Ecke reicht, um Wut und Verzweiflung Ausdruck zu verleihen. Alle, die mittlerweile nicht mehr wissen, wohin mit ihrer Hoffnungslosigkeit, haben mit diesem Album nun eine neue Zuflucht gefunden.