Patricia Kaas - Live (2CD) (2000)

Sie hat im Laufe ihrer Karriere, die für exakte Geschichtsschreiber bereits im Alter von sieben Jahren im heimischen Wohnzimmer begann und über den Saarbrückener Club "Rumpelkammer" führte, immer wieder Rekorde gebrochen: Als klangvollste Stimme Frankreichs wie auch als erfolgreichste französische Künstlerin im Ausland. Als erste Französin seit Ende des Indochina-Krieges trat sie in Vietnam auf und gab ein Gratis-Konzert in Tschernobyl.
Doch auch wiederkehrende Momente haben ihren Platz in der seit 1987 währenden (Platten-)Karriere von Patricia Kaas: So ist es beinahe Tradition, dass ihre Tourneen mit einem Live-Album abgeschlossen und veredelt werden. Trotz dieser "Routine" aber ist die Veröffentlichung des Tondokuments der Tournee 1999/2000 alles andere als ein Album "comme d'habitude".
Denn innerhalb von zwei Stunden Spielzeit transzendiert die Sängerin ihre eigene, ohnehin schon ins Melodramatische reichende Größe als Grande Dame des populären Chansons hin zu einer Dimension von wahrhaft sinfonischen Ausmaßen. Vermittelt die erste der beiden Platten dieses Doppelalbums vom Frühwerk "Mademoiselle chante le blues" bis zu dem von Jean-Jacques Goldmann geschriebenen "Une fille de l'est" einen Eindruck von der auf Perfektionismus konditionierten, bisweilen leider ins Sterile überkippenden Bühnendarstellung der Kaas, so präsentiert Album Nummer zwei ihre Musik in einem neuen Gewand: Begleitet von einem 80-köpfigen Orchester wird jedes einzelne Sentiment, jede Geste, jeder Flügelschlag eines Schmetterlings im Bauch der Liebenden nicht nur multipliziert sondern potenziert.
Und obwohl dies zu Gefühlsmanifestationen führt, für die das einfache Leben viel zu klein ist, muss man sagen, dass die Begegnung der Genres Pop, Chanson und Klassik bei Patricia Kaas bedeutend harmonischer vonstatten geht als bei vielen anderen Pop-meets-Classic-(Fehl-)Versuchen. Zu den hemmungslos kitschigen, vehement romantischen, überbordend dramatischen Chansons gehört nun einmal ein Theaterhimmel voller Geigen, so wie die Laterne zu Lili Marleen gehört -- woran nicht zuletzt die Hommage "D'Allemagne" erinnert. -- Björn Döring