Jürgen Marcus - Ich Glaub' An die Welt (2004)

Es gibt Superstars, von denen man viel hört, und wünschte, es wäre nicht so. Und es gibt Stars, bei denen ist es umgekehrt. Jürgen Marcus ist so einer. Anfang der 70er Jahre erobert er den Hitparaden-Olymp und ist aus der deutschen Musikszene nicht mehr wegzudenken. Nummer-1-Hits am laufenden Band, Siege bei internationalen Festivals, eine eigene Fernseh-show für seine Plattenfirma entwickelt sich der Herner zum wahren Gold-Jungen: Golde-ne Schallplatten, Goldene Löwen, Goldene Ottos, Goldenes Label und Goldene Mikrophone ebnen seine Laufbahn. Und er schafft, was Wenigen gelingt: Mit Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben, Ein Festival der Liebe, Schmetterlinge können nicht weinen, Ein Lied zieht hinaus in die Welt und vielen weiteren Titeln landet er Evergreens, auf die noch über 30 Jahre später kein Radiosender und keine Party verzichten will. Sein Erfolgsgeheimnis liegt dabei nicht in einem Personenkult, in Skandalen oder Klatschgeschichten: Es ist seine Stimme, die Generationen fasziniert nicht umsonst haben Kritiker ihm das Attribut Die Stimme verpasst. Mitte der 80er verabschiedet sich Jürgen Marcus aus dem aktiven Showgeschäft. Plattenfirma und Produzent wollten am eingefahrenen Erfolgsschema festhalten, doch diese Festlegung liegt dem Künstler nicht. Er lässt die Verträge auslaufen und verzichtet auf die gebotenen Millionengagen. Bewusst macht er sich rar, lässt sich lediglich für ganz besondere Projekte engagieren. Von der amerikanischen Plattenfirma A&M zum Beispiel, für die er den Titel Liberation Day einsingt, oder von Andrew Lloyd Webber, für den er zusammen mit dem Orchester der Wiener Staatsoper die deutsche Fassung Schau was Liebe ändern kann aus dem Mu-sical Aspects of Love aufnimmt. Immer wieder kommen Anfragen für ein Comeback, doch Marcus winkt ab. Um neue Songs glaubhaft vertreten zu können, will er von der Produktion und dem Team hundertprozentig überzeugt sein. Mit den angebotenen Konzepten kann er sich jedenfalls nicht identifizieren. Das ändert sich, als er auf Micki Meuser trifft. Der Produzent und Komponist, der u. a. DIE ÄRZTE, INA DETER oder BETTINA WEGNER produzierte, arbeitet vorwiegend als Filmkomponist für deutsche und amerikanische Produktionen. Eine reizvolle Mischung, und die musikalischen Vorstellungen decken sich ausgezeichnet. Das Resultat ICH GLAUB AN DIE WELT lässt keine Wünsche offen. Jürgen Marcus ist wieder auf Erfolgskurs, und er hat erreicht, was er wollte: Mit neuen musikalischen Ideen und ausdrucksstarken Texten zeigt er, dass man auch jenseits des eingefahrenen Musters hörenswerte Musik machen kann. Und glaubwürdig sind die Inhalte, dafür zeichnen die Granden der deutschen Autorenszene verantwortlich, allen voran Musical-Autor Dr. Michael Kunze, Udo-Jürgens-Texter Wolfgang Hofer, Norbert Hammerschmidt (Roland Kaiser), Helmut Frey (Nino de Angelo) und nicht zuletzt Juliane Werding, die er bei den Aufnahmen im Studio wieder traf. Ihnen ist es gelungen, den Reifeprozess nachzuzeichnen, den Jürgen Marcus für sich selbst bereits vollzogen hat. Dass ein Remix seines größten Erfolgs Eine neue Liebe enthalten ist, schließt sich dabei nicht aus: Ein Mann über 50 muss die Liebe nicht besingen, er darf es.